Montag, 10. August 2009

Tauss, von der Leyen, Kinderpornographie und die Ermittlungsverfahren

Der Fall Tauss hat bereits Schlagzeilen gemacht und wird sie sicherlich auch in naher Zukunft noch machen.

Etwas weniger bekannt ist eine Strafanzeige, welche gegen Ursula von der Leyen bereits im Mai wegen Verbreitung von Kinderpornographie erstattet wurde. Hintergrund der Anzeige war die Vorführung von kinderpornographischem Material durch von der Leyen, ihre Pressesprecherin und einen norwegischen Polizeibeamten. Zusammen hatten sie bei einer Pressekonferenz einem geschlossenen Kreis von Pressevertretern aus dem Internet direkt abgerufenes Material vorgeführt.
Das folgende Strafverfahren wurde von der zuständigen Staatsanwaltschaft Berlin bereits im Juni 2009 gemäß § 170 II StPO eingestellt. Link
In der inzwischen bekannt gewordenen Einstellungsverfügung heißt es unter anderem, es habe sich um kein öffentliches Vorführen gehandelt, da der Personenkreis abgegrenzt war und keine Unkontrollierbarkeit vorlag. Außerdem sei es Sinn und Zweck der Vorschrift, die Versorgung mit derartigem Material zu unterbinden, ein Ziel, das durch die Vorführung nicht gefährdet war.

Zwar stellt sich die Frage, ob die Argumentation des flüchtigen und situativen Aufrufens der entsprechenden Daten ohne Zwischenspeicherung auf den Datenträgern des Ministeriums tatsächlich zutrifft, schließlich wird auch das unbewusste Speichern im sog. Cache des Browsers als tatbestandserfüllend angesehen. Dieser speichert aber nahezu immer Daten.

Viel interessanter ist jedoch die weitere Begründung im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den Abgeordneten Tauss.
Die Staatsanwaltschaft Berlin argumentiert nämlich, eine Strafbarkeit sei bereits nach Absatz 5 des § 184 b StGB ausgeschlossen. Er sei gerade keine abschließende Regelung, sondern sei "entsprechend anzuwenden (...), wenn Handlungen der staatsbürgerlichen Aufklärung bzw. ähnlichen, mithin sozial adäquaten Zwecken dienen". Schließlich sei auch kein Vorsatz gegeben, weil die Pressesprecherin ein Abschalten der Kameras verlangte, da das Material nicht verbreitet werden dürfe.

Die Argumentation trifft den Fall Tauss nicht vollständig, jedoch ist eindeutig zu erkennen, dass die Staatsanwaltschaft Berlin eine deutlich weitere Sicht des Abs. 5 vertritt, als es die Staatsanwaltschaft Karlsruhe mit einer sehr engen Sichtweise bisher getan hat. Die Anwendbarkeit wäre jedenfalls aufgrund der Besitzproblematik eher gegeben.

Problematisch wird allerdings sein, das Gericht davon zu überzeugen, die Daten seien tatsächlich nur aufgrund von Ermittlungen in den Besitz von Tauss gelangt. Kürzlich hatten Ermittler Zweifel an der Richtigkeit der Angaben geäußert, weil eine "größere Menge" Video- und Bilddaten (59 Videos und 356 Bilder) gefunden worden seien, einige davon auf dem Handy des Abgeordneten.
Allerdings dürfte auch hier zu bedenken sein, dass für die Speicherung dieser "größeren Menge" nur wenige Datenträger benötigt werden. Eine DVD fasst bei einer Kapazität von 4,7 GB wenigstens 2000 Bilddateien, so dass sicherlich die Menge von 356 Bildern und 59 Videos nicht zwangsläufig gegen die Angaben spricht. Vielmehr dürfte sogar der Nachweisversuch der Verbreitung von kinderpornographischem Material auf Datenträgern über den Postweg die Einflussmöglichkeiten des Abgeordneten auf die auf einem bestellten Datenträger enthaltene Dateianzahl verringern, wenn nicht sogar ausschließen. Ein Rückschluß allein von der Anzahl der Dateien auf die Intention der Beschaffung der Datenträger ist jedenfalls gewagt.

Es bleibt abzuwarten, welcher Sichtweise sich das Gericht anschließt.



--- Update ---
Wie Rechtsanwalt Udo Vetter in seinem Blog veröffentlicht, handelt es sich bei der Menge der aufgefundenen Dateien um eine - nach seiner Verteidigererfahrung - geringe Menge. Auch die Art der Aufbewahrung spricht nicht gegen die Argumente des Abgeordneten. Schließlich sei nicht erforderlich, dass Beweise für eine geplante Veröffentlichung der Ermittlungsergebnisse aufgefunden werden, zumal an die außenwirksame Darstellung der Ermittlungsabsicht mit hoher wahrscheinlichkeit nicht gedacht wurde.

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