Medienwirksam präsentieren sich diese Tage Stephanie Freifrau zu Guttenberg und Udo Nagel in dem Fernsehformat "Tatort Internet", das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Täter zu enttarnen, die über Internetchats Kontakt mit Teenagern herstellen.
Dabei scheint der Kinderschutz jedoch auf den zweiten Blick etwas in den Hintergrund zu rücken, denn nicht nur, dass durch Darstellung der Chatprotokolle die Lockmethoden Erwachsener offengelegt werden, wie es bisher jegliche seriöse Berichterstattung - zum Schutz vor Nachahmern - vermieden hat, es wird auch die 13-jährige Mandy offen und identifizierbar mitsamt ihrer Mißbrauchsgeschichte präsentiert. Damit wird sie jedoch nicht nur unfreiwillige Galionsfigur der Reihe, sondern auch den Reaktionen der Öffentlichkeit und des Freundeskreises hierauf ausgesetzt. Zum Wohl des Kindes - wohl kaum.
Verantwortungsvoll von Eltern aber auch Sendern wäre es, das Kindeswohl nicht durch öffentliche Zurschaustellung des Kindes und dessen Leidensgeschichte für Geld oder auch den Effekt zu gefährden.
Auch die rechtliche Grundlage oder auch die rechtliche Recherche der Redaktion im Allgemeinen erscheint nicht den Optimalzustand zu erreichen. Die angeprangerten "Straftaten" konnten in den meisten Fällen nicht einmal einen Anfangsverdacht der zuständigen Ermittlungsbehörden begründen, reichen jedoch für die Zurschaustellung aus.
Allein schon der Umstand, dass die gezeigten als Täter dargestellt werden, ohne dass ein Anfangsverdacht für weitere Ermittlungen besteht, ist verwunderlich. Dass die Verfremdung der dargestellten "Täter" dabei so schwach ist, dass innerhalb kürzester Zeit zumindest einer der gezeigten enttarnt werden konnte, ist nur eine der fragwürdigen Leistungen des Prangerformates. Denn auch der Verdacht der Verletzung von Persönlichkeitsrechten liegt nahe.
Die Unschuldsvermutung spielt - wie so oft - im Licht des Vorwurfes keine große Rolle mehr, denn wer so etwas gemacht hat, muss schuldig sein - Zirkelschluss erster Güte.
Präsentiert wird auch, dass die Machenschaften im Internet zu einer zunehmenden Gefährdung von Kindern führen würden. Was dabei jedoch nicht erwähnt wird ist die Tatsache, dass die überwiegende Mehrzahl der sexuellen Übergriffe auf Kinder in Familie und sozialem Umfeld stattfinden.
Konzept ist juristische Desinformation - die Sendung prangert Kinderpornografie an, die keine ist, verfolgt Straftaten, die nicht strafbar sind.
Letztlich beruht das Sendeformat auf dem Prinzip der Justiz der Massen, dem Pranger auf dem Marktplatz, der Abkehr vom Rechtsstaat. Ein Konzept, das Gefahren nicht nur für wirkliche Täter, sondern auch für unschuldige und unschuldig in Verdacht geratene Personen birgt. Es ist schließlich nicht leicht, einem Lynchmob zu erklären, es handle sich nur um eine Verwechslung.
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